Facebook im Zwielicht

Gefühlt gibt es dieser Tage wahrscheinlich nur ein Unternehmen, welches so oft in der Presse vorkommt wie Facebook. Schreibt zwar keine schwarzen Zahlen, ist kein DAX-Wert und sorgt von den unternehmerischen Inhalten her nicht für Hoffnung auf dem krisengeschüttelten Arbeitsmarkt.

Die Unternehmensführung gibt sich dennoch selbstbewusst. Das Wachstum der Neuanmeldungen liegt dieser Tage und Wochen auf höchstem Niveau seit der Firmengründung, ca. 400 Millionen Profile gibt es nun…

Auf der Facebook-Entwicklerkonferenz „f8“ wurde zudem der Open Graph vorgestellt, mit dem man Facebook extern einbinden kann – ein riesiger Erfolg in den Augen von Marc „Zuck“ Zuckerberg, endlich können Freunde beim Surfen an allen erdenklichen Stellen auf Ihre Freunde treffen und herausfinden, wer was mag, man kann sich ganz auf die Empfehlungen anderer verlassen. Nirgendwo ist man allein, Freunde gibt es überall. Facebook ist im Begriff, ein eigenes Internet zu werden.

Während Zuck und die seinen sich am (immer noch theoretischen) Erfolg besaufen, ist im Umkehrschluss aber zu bedenken: Facebook hält alle Daten, die man im Netz hinterlassen hat auf eine unbegrenzte Zeit vor (und sammelt sogar Daten über Menschen, die keine Mitglieder sind und kann über die erlangten Daten vollkommen frei verfügen. Gleiches gilt für die Seiten, die den Open Graph integriert haben. Mit voranschreitender Facebook-Zugehörigkeit und anhaltendem Aktivitätsfortschritt kann Facebook so eine dermaßen präzise Aussage über den jeweiligen Nutzer und seine Präferenzen machen, dass der Nutzer selbst überrascht wäre – vermutlich eher geschockt.

Es sei daran erinnert, welchen Aufstand es gegeben hatte, als bekannt wurde, dass Google seine Nutzer kennt und interessenbezogene Werbung macht – aufgrund des Surfverhaltens. Hierbei wurden aber nur IP-Adressen und Suchanfragen miteinander abgeglichen, der individuelle User war Google nicht namentlich bekannt. Bei Facebook ist er das – je nach Pflege des Accounts inklusive seiner Familienmitglieder, Musik- und Freizeitvorlieben, Urlaubserlebnissen, die bildlich festgehalten wurden und so weiter.

Das angesprochene Selbstbewusstsein von Facebook nährt sich wohl aus einem gewissen Desinteresse im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre. Zuckerberg hält diese Gedanken augenscheinlich für überholt und macht auch keinen Hehl daraus. Das stand mehrfach nachzulesen (z.B. hier & hier). Und dieser Narzissmus könnte noch teuer werden.

Denn trotz der unfassbaren Menge an Profilen bei Facebook formiert sich eine merkliche Gegenbewegung im Netz. Das wird besonders in Deutschland deutlich, hier ist man in Sachen Datenschutz seit jeher ziemlich penibel und es gibt sogar von Seiten der Politik eine Gegenbewegung, auch wenn die sehr unorganisiert rüberkommt. Alarmierend hoch ist darüber hinaus die Zahl derer, die ihre Privatsphäre bei Facebook nicht genug geschützt sehen und ihren Account löschen – und da geht es nicht nur um ein paar einzelne.

Es mehren sich zudem Forderungen nach einer Alternative für Facebook, diese Woche war von einer dezentralen Plattform namens „Diaspora“ die Rede. Zwar stehen diese Gedanken erst am Anfang, aber um ein Netzwerk groß und bedeutsam werden zu lassen braucht es heute nicht mehr viel, der Programmieraufwand ist dabei das kleinste Problem.

Vielleicht hat „Zuck“ die Warnung ja kapiert, denn jüngsten Berichten zufolge hat Facebook einige Veränderungen für einen verbesserten Datenschutz durchgeführt.

Falls der Schutz von Privatheit und Datenschutz allerdings nur Zugeständnisse an die alte Welt sind und in der Facebook-Firmenphilosophie keine Verankerung finden sollten, könnte es eines Tages noch eng werden für Facebook. Denn bei aller Netzwerkromantik und Verblendung für die wirklichen Errungenschaften des Unternehmens – die einzige zählende Existenzberechtigung für Firmen, auch die im Netz, sind Umsatz, Produktivität und Rentabilität.

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