LOL re:publica: In der Höhle der Löwen Teil 1

Liebe auf der re:publica 2017re:publica 2017 und ich bin dabei. In meinen zwei Tagen werde ich erleben, was es heißt Pandas zu töten, warum man sich als Teil der Werbeindustrie hier besser nicht offenbaren sollte und dass man auch mit einem rothaarigen Irokesenschnitt und als Pokemon-Go-süchtiger Spieler zu einer Art Messias aufsteigen kann, dessen Worte von den Anwesenden geradezu aufgesogen werden. Ich bin zum ersten Mal hier und will die re:publica ohne Vorurteile oder eine Meinung besuchen. Das Motto LOL (Love out Loud) weckt in mir allerdings die Erwartung eines sehr liebevollen Events mit vielen netten Leuten. Doch ist dem wirklich so?

Tag 1: „Es ist nicht alles Hass“ entfällt

Das Wetter am Montagmorgen scheint sich nicht so recht an das Liebesmotto halten zu wollen, zumindest bei mir wollen bei grauen 10 Grad Celsius keine richtigen Frühlings-, Wärme- oder gar Liebesgefühle aufkommen. Auch der Eingang, der stark an eine Kaserne erinnert, trägt nicht gerade dazu bei. Drinnen scheint man sich mit Liegestühlen, Lounge-Ecken und zahlreichen Essens- und Getränkeständen auf sonnige Frühlingstage eingestellt zu haben. Gegen das Wetter können auch Netzaktivisten nichts ausrichten, denke ich mir, und gehe zum ersten Vortrag mit dem Titel: „Tötet die Reichweitenpandas“.

Reichweitenpandas aka Influencer

Pandas töten – aber verantwortungsvoll!

Pandas töten? Aber die sind doch so süß und pummelig und haben niemandem etwas getan. Mit Liebe hat dieser Titel für mich nichts zu tun. Allerdings sind mit Reichweitenpandas nicht die süßen, dicken Bären, sondern die aufgedrehten, jungen Influencer gemeint. Und sie sollen auch nicht zum Abschuss freigegeben werden, es wird lediglich für einen verantwortungsvollen Umgang mit ihnen plädiert.

Der Influencer: Die moderne Droge der Werbeindustrie? Statt Drink responsibly also influence responsibly?! Gar nicht so verkehrt, denke ich mir, denn die Nachhaltigkeit von gekaufter Reichweite durch Influencer kann durchaus bezweifelt werden. Außerdem muss man seine Marke bzw. Kampagne stark am jeweiligen Influencer ausrichten. Auf die eigene Stärke zu setzen, kann da oft der bessere Weg sein.

Vom Töten zum Krieg

Am Nachmittag gehe ich noch einen Schritt weiter, vom Töten in den Krieg, wenn man so will. Die Veranstaltung „Step into Star Wars“ ist ein einstündiges Interview mit dem Erfinder der Slow-Motion-Technologie John Gaeta (Lucasfilm) aus Filmen wie Matrix. Hier soll es um die Zukunft des umfassenden Storytellings gehen. Ich bin allerdings etwas enttäuscht: Letztlich philosophiert Gaeta eine Stunde darüber, dass Virtual Reality die Zukunft sei. Er spricht vom Aufbau eines Themenparks und einer eigenen Star Wars Welt, in der man genau darauf achten muss welche Erzählstränge wann starten, um die Story genau aufeinander abzustimmen.

Datenschutz vs. Datenschatz

Nicht nur Influencer scheinen auf der re:publica nicht gut davon zu kommen. Die Werbeindustrie scheint als eine Art Feindbild herzuhalten, insbesondere dann, wenn es um das Thema Datenschutz geht.  Das zeigt mir auch die Diskussion zu Datenschutz vs. Datenschatz. Ich komme gerade noch rechtzeitig, um zu erleben wie Susanne Dahlem von Bitkom e.V., die die undankbare Position der Werbeindustrie in der Diskussion einnimmt, vom Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht und Moderator Ingo Dachwitz sowie anschließend kollektiv vom Publikum berichtigt wird. Zugegeben auch auf mich macht sie in diesem Moment keinen besonders kompetenten Eindruck, aber derart vorgeführt zu werden ist weder respekt- noch liebevoll.

Als dann noch zwei Redner in ihrem Vortrag zu Social Media Recht süffisant feststellen, dass die vorherige Veranstaltung: „Es ist nicht alles Hass“ entfiel, haben sie nicht nur die Lacher auf ihrer Seite. Es bestärkt auch meinen Eindruck, dass das Motto der re:publica noch nicht richtig gelebt wird.

LOL, wird Sascha Lobo weich?

Zumindest Sascha Lobo scheint es sich am Abend dann doch zu Herzen genommen zu haben und erklärt überzeugend, warum es entscheidend ist, dem in den letzten Jahren aufkommenden Hass und der Hetze (Hate Speech) nicht mit weiterem Hass und Beleidigungen zu begegnen und sich stattdessen in den Dialog zu begeben. Dabei habe dann auch er gelernt, Unterscheidungen zu machen zwischen denen, die er zuvor allesamt als rechts/rechtsextrem bezeichnete.

  • Rechte/Rechtsextreme
  • ((sehr,) sehr) Wütende
  • Ängstliche, Besorgte mit den falschen Friends
  • Trolle, Ärsche (temporär)
  • Konservative
  • Irritierte, Verstörte
  • ?

Das klingt zwar nicht nach Liebe, aber nach der Bereitschaft zur Kommunikation mit denjenigen, die sich an diesem rechten Rand bewegen. Also nein, er ist nicht weich geworden, sondern vernünftig. Seine, wie er selbst sagt, „Naja-Kommunikationstheorie“ ist auch für mich einleuchtend und vernünftig. Ich bin gespannt was mich morgen erwartet. Vielleicht erfahre ich dann ja wo sie ist: die Liebe auf der re:publica 2017.

Zum Schluss ein kurzes Video vom Vortrag von Sascha Lobo.

 

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Jochen Meiring hat seinen M.A. in Kommunikationswissenschaft an der WWU Münster gemacht. Als Experte für Content Marketing setzt er sich immer wieder mit neuen Trends im Onlinemarketing auseinander. Seine Kreativität und Neugier kann er in den unterschiedlichsten Kundenprojekten und im Blog von interface medien ausleben.